INSIGHT DietBB: Die NutriDiary App- ein digitales 3-Tage-Wiegeprotokoll

Mats Wiese und Stefanie Koch

Protokollansicht und Eingabemaske in der NutriDiary App

09. November 2017

Interview mit Stefanie Koch und Mats Wiese aus der Ernährungsepidemiologie (Thematisches Gebiet 1)

Im Thematischen Gebiet 1 wird an neuen Methoden und Technologien für die Ernährungsforschung gearbeitet. Stefanie Koch und Mats Wiese entwickeln und evaluieren die NutriDiary App- eine App, die als digitales 3-Tage-Wiegeprotokoll dient. Aktuell wird sie in der DONALD Studie getestet und soll im Idealfall zukünftig die Papierversion des bisher genutzten 3-Tage-Wiegeprotokolls als Ernährungserhebungsinstrument ersetzen. DietBB interviewte die beiden Wissenschaftler in Bonn.

Vorstellung der Personen: Die Doktorandin Stefanie Koch beschäftigt sich in TA1 mit der Evaluierung und Validierung der neuen Ernährungserhebungsinstrumente, die in der Arbeitsgruppe Ernährungsepidemiologie entwickelt wurden. Zurzeit führt sie sowohl die Evaluierung von myfood24 (einem web-basierten 24-Stunden-Erinnerungsprotokoll) also auch die Validierung von NutriDiary, einem digitalen 3-Tage-Wiegeprotokoll in Form einer App, durch.
Der Masterstudent Mats Wiese arbeitet für seine Abschlussarbeit an der Entwicklung, Evaluierung und Beurteilung der Machbarkeit von NutriDiary in der DONALD Studie.

DietBB: Herzlichen Dank, dass wir dieses Interview führen können. Frau Koch, Herr Wiese. Sie arbeiten an einer App zur Ernährungserhebung: Was kann die App und wie funktioniert sie?
Wiese:
Wir haben die Aufgabenstellung bekommen das 3-Tage-Wiegeprotokoll der DONALD Studie, das mit Stift und Papier geführt wird, möglichst 1:1 in eine digitale Version zu übersetzen. Mit der entwickelten App können nun alle Angaben digital erfolgen: Durch ein Drop-down Menü ist es möglich Lebensmittel aus einer Liste auszuwählen oder selbst hinzuzufügen. Die gewogene Menge kann vermerkt werden bzw. für den Außer-Haus-Verzehr stehen haushaltsübliche Maße zur Auswahl bereit. Ort und Zeit des Verzehrs können ebenso erfasst werden.
Koch: Zudem ist eine Fotofunktion hinterlegt, die eine deutliche Erleichterung zum bisherigen Prozess bringt: Bisher sammeln die Probanden sämtliche Verpackungen von verzehrten Lebensmitteln wie zum Beispiel Joghurt-Becher, um diese mit dem Protokoll abzugeben, oder schicken Bilder der Verpackungen digital ans Studienpersonal. So kann das Studienpersonal den Nährwertgehalt berechnen. Mit der App fotografieren die Teilnehmenden einfach die Nährwert-Tabelle und das Zutatenverzeichnis – das Sammeln fällt weg und die Bilder sind direkt in das Protokoll integriert.

DietBB: Was passiert, wenn das Protokoll nach 3 Tagen fertig ist?
Wiese:
Wenn die Teilnehmerin bzw. der Teilnehmer drei Tage protokolliert hat, erscheint am vierten Tag der Button „Protokoll abschicken“. Es folgt die Aufforderung die Einträge auf Vollständigkeit zu prüfen. Anschließend wird das Protokoll automatisch an einen Server gesendet und steht dort zum Download bereit. Da die Protokolle so bereits in digitaler Form vorliegen, entfällt die bisherige manuelle Eingabe der Daten durch das Studienpersonal.

DietBB: Welche Datenbank liegt dahinter?
Wiese:
Die DONALD Studie hat eine eigene Datenbank, in der zum Beispiel auch Fertigprodukte enthalten sind. Zu allen Produkten gibt es nicht nur die „Big Seven“-Angaben, sondern anhand einer Rezeptsimulation ist es auch möglich, den Gehalt an weiteren Nährstoffen genauer zu schätzen. Derzeit sind für die App 12781 Lebensmittel hinterlegt. Davon sind 10275 Lebensmittel Markenprodukte, 1734 generische Produkte wie zum Beispiel Mehl Type 405, auf Basis des Bundeslebensmittelschlüssels und 772 Nahrungsergänzungsmittel und Medikamente, die auch protokolliert werden sollen.
Koch: Eine Herausforderung der Datenbanknutzung für web- oder smartphone-basierte Ernährungserhebungsinstrumente ist die Benennung der Lebensmittel. In den Datenbanken wie dem Bundeslebensmittelschlüssel sind die Lebensmittel teilweise kompliziert beschrieben und Namen von Fertigprodukten findet man je nach Datenbank gar nicht. Daher ist die Benennung in diesen Datenbanken eine große Aufgabe.

DietBB: Wie lange hat es gedauert, die App zu entwickeln?
Wiese:
Vom Entwurf bis zu dieser Version waren es fast 3 Jahre. Allerdings muss ich betonen, dass die Entwicklung einer App ein stetiger Prozess ist. Im Laufe der Testung finden sich immer Ansätze zur Verbesserung der App. Daher müssen wir fortlaufend weiterentwickeln.
Koch: Im Rahmen von DietBB arbeiten wir mit Ionut Andone, einem Doktoranden aus der Informatik, zusammen. Herr Andone hat die Software programmiert und beschäftigt sich zurzeit mit der Programmierung der iOS Version.

DietBB: Seit wann wird die App getestet?
Koch:
Seit Mai 2017 wird jeder Teilnehmerin und jedem Teilnehmer der DONALD Studie im Rahmen des jährlichen Checks die App als Alternative zur Papierversion des 3-Tage-Wiegeprotokolls angeboten. Einzige Voraussetzung ist momentan ein Android Betriebssystem auf dem Smartphone. Viele Probanden haben Interesse daran, die App auszuprobieren.
Wiese: Bisher wurden 68 Accounts ausgegeben, davon sind 19 Protokolle mit der App angefertigt worden. Anscheinend ist das Interesse größer als die tatsächliche Nutzung. Dafür vermuten wir unterschiedliche Gründe.

DietBB: Welche Gründe vermuten Sie dafür, dass die Protokolle nicht abgeschlossen werden?
Wiese:
Wir sehen, dass die Teilnehmenden sich die App runterladen und ausprobieren, das Protokoll schließlich aber doch mit Stift und Papier anfertigen. Wir vermuten, dass der Umstieg auf die digitale Methode für manche Teilnehmer schwieriger ist als erwartet.
Koch: Die Teilnehmenden erhoffen sich eine Erleichterung, die nach unserer Ansicht auch gegeben ist. Dennoch ergibt sich ein leicht erhöhter Anfangsaufwand, weil man sich erstmal mit der App auseinandersetzen muss.
Wiese: Dazu kommt, dass die Zeit vor Ort oft nicht ausreicht, um den Teilnehmenden eine umfassende Einweisung in die App zu geben bzw. die App vor Ort direkt auszuprobieren. Es gibt allerdings einen Hilfemodus in der App, der detailliert durch die Benutzung führt. Allerdings setzt das wiederum die Bereitschaft voraus, den Text des Hilfemodus zu nutzen, sich damit zu beschäftigen. Um diesem Problem entgegenzuwirken, haben wir zusätzlich eine Kurzanleitung verfasst, die die wichtigsten Funktionen der App erklärt und den Probanden bei ihrem Besuch im Studienzentrum ausgehändigt wird.

DietBB: Wie wird die App evaluiert und validiert?
Wiese:
Zur Evaluierung werden die Teilnehmenden am Ende des Protokolls gebeten einen Fragebogen auszufüllen, mit dem wir den System Usability Scale Score bestimmen. Dieser Score ist ein etabliertes Instrument, das Auskunft über die Gebrauchstauglichkeit der App gibt und mit dem Score anderer Apps oder Geräte verglichen werden kann. Außerdem verlassen wir uns darauf, dass die Teilnehmenden uns technische Probleme oder sonstiges Feedback als Freitext mitteilen. Wir rechnen damit, dass Ende des Jahres 2017 genügend Daten zur Evaluation vorliegen werden.
Koch: Die Validierung der App soll anhand von Urin-Biomarkern durchgeführt werden. Es soll ein Vergleich mit den papierbasierten Ernährungsprotokollen stattfinden – kein direkter Vergleich der Instrumente, sondern ein Vergleich auf Biomarker-Ebene. In der DONALD Studie werden 24-Stunden-Urine der Teilnehmenden gesammelt. Momentan warten wir darauf, dass wir genug Urinproben zusammen haben, damit wir mit der Validierung starten können.

DietBB: Ist es Ziel, langfristig das Papierprotokoll zu ersetzen?
Koch:
Das wäre optimal, da sich durch die Nutzung der App die Erfassung der Ernährungsgewohnheiten sowohl für die Teilnehmenden als auch für das Studienpersonal vereinfachen würde.
Wiese: Das Ganze soll aber nicht nach dem Top-Down Prinzip erfolgen, also von oben wird beschlossen, dass ab sofort die App statt des schriftlichen Protokolls eingesetzt werden soll, sondern idealer Weise Bottom-Up, dass alle Teilnehmenden die App der Papierversion vorziehen.

DietBB: Was sind für Sie die deutlichsten Vorteile der App im Vergleich zur Papierversion?
Koch:
Die Teilnehmenden haben nicht den Aufwand alles zu Papier zu bringen, können aus einer Lebensmittelliste auswählen, sie können Fotos der Verpackungen machen, anstatt diese zu sammeln und abzugeben.
Wiese:
Auch für uns Wissenschaftler ist die App vorteilhaft. Ein großer Vorzug ist beispielsweise, dass die Verknüpfung der protokollierten Lebensmittel mit Nährwerten erheblich erleichtert wird, da für die aus der Liste ausgewählten Lebensmittel die Nährstoffzusammensetzung bereits hinterlegt ist. Somit entfällt eine händische Zuordnung durch das Studienpersonal. Diese Arbeit kostet viel Zeit und der Aufwand hierfür kann durch die App erheblich reduziert werden.

DietBB: Gibt es schon Pläne für die Weiterentwicklung?
Wiese:
Ja, die gibt es. Momentan wird, wie gesagt, an der iOS-Version gearbeitet. Zusätzlich wird die Möglichkeit eines Barcode-Scanners geprüft. Damit könnten die Teilnehmenden in Zukunft idealer Weise den Barcode von verpackten Lebensmittel einlesen, sodass die Protokollierung nochmal wesentlich vereinfacht wird.

DietBB: Frau Koch, Herr Wiese – ganz herzlichen Dank für das Gespräch und Ihnen beiden weiterhin viel Erfolg!

 

Text: Maike Gutmann, DGE (TA6)

Zurück