INSIGHT DietBB: Wie unser Lebensstil unsere Genexpression beeinflussen kann

15. Januar 2018

Holger Wagner-Thelen berichtet über seine Forschung im Bereich der Epigenetik. Wie wird aus einer Bienenlarve eine Königin? Wie kann das Futter einer Maus die Fellfarbe der Nachkommen beeinflussen und warum erkrankt ein Zwilling an Demenz während der andere – mit identischer genetischer Ausstattung – keine Anzeichen der Erkrankung zeigt?

„Die Antworten darauf könnten zum Teil im Epigenom gefunden werden“, sagt Holger Wagner-Thelen, Doktorand aus TA 4. Er beschäftigt sich im Rahmen seiner Promotion mit dem Zusammenhang zwischen der Ernährungsweise und den epigenetischen Mechanismen der Entstehung von Alzheimer-Demenz. „Epigenetische Mechanismen wirken sich auf die Genexpression aus. Diese läuft dann entweder verstärkt oder eingeschränkt ab. Dabei wird nicht die DNA an sich verändert, sondern das Ablesen der DNA ist betroffen“, erläutert der Wissenschaftler. Davon zu unterscheiden ist die Genetik, bei der es um dauerhafte DNA-Veränderungen durch Mutationen geht. Die DNA-Sequenz selbst kann jedoch ebenfalls einen Einfluss auf die Epigenetik haben. „Das Schöne und Interessante an der umweltbedingten Epigenetik ist, dass die Veränderungen auch reversibel sind. Das bedeutet, wenn bestimmte epigenetische Veränderungen aufgetreten sind, werden diese nicht zwingend an die nachfolgende Generation weitergegeben und können zudem rückgängig gemacht werden.“ Wagner-Thelen erläutert diesen Zusammenhang mit einem Beispiel genauer: „Forscher konnten bei Mäusen zeigen, dass die Ernährung eines weiblichen Tieres einen Einfluss auf die Expression des Fellfarbe-Gens in den Nachkommen hatte. Fütterten sie diese Nachkommen hingegen anders als die Eltern, wurde die Expression des Gens in eine andere Richtung gelenkt und die Fellfarbe veränderte sich in der darauffolgenden Generation wieder.“ Ein weiteres prominentes Beispiel dafür, dass die Ernährung einen starken Einfluss auf die Genexpression haben kann, liefert die Bienenkönigin. „Der gravierende Unterschied zwischen einer Königinnenlarve und einer Bienenlarve ist das Futter. Allein die Tatsache, dass die Larve, die zur Königin werden soll, mit Gelee Royale gefüttert wird, führt dazu, dass ca. 500 Gene anders exprimiert werden als bei einer Arbeiterinnen-Larve. Dadurch sieht die Königin nicht nur anders aus, sondern sie lebt auch länger“ erklärt Wagner-Thelen.

Hinter diesen Veränderungen der Genexpression stehen unterschiedliche Mechanismen –der am häufigsten untersuchte ist die Methylierung der DNA. „Bei der Methylierung werden bestimmte Bereiche an der DNA chemisch so verändert, dass sie nicht mehr abgelesen werden können. Diese Bereiche werden CpG (Cytosin-Phosphatidyl-Guanin)-Regionen genannt. Dort sind die Basen Cytosin und Guanin über eine Phosphatgruppe miteinander verbunden, sogenannte CpG-Dinukleotide, was relativ selten im Genom vorkommt. Vor Genen finden wir häufig eine Ansammlung dieser CpG-Dinukleotide, die dann CpG-Inseln genannt werden. Wird die Methylgruppe an die Cytosine in diesen CpG-Inseln angehängt, können die Transkriptionsfaktoren nicht binden und der folgende Genabschnitt nicht mehr abgelesen werden – das Gen ist quasi ausgeschaltet.“

Für seine Doktorarbeit misst Wagner-Thelen genau diese Methylierungen im Genom und setzt sie ins Verhältnis zu Biomarkern für die Ernährung. „Für DietBB wurde eine Gruppe von Teilnehmenden der AgeCoDe-Studie mit dem Phänotyp der sporadischen Alzheimer-Demenz untersucht. Die AgeCoDe-Studie ist eine prospektive Kohortenstudie, deren Teilnehmende zu Beginn der Studie nicht dement und mindestens 75 Jahre oder älter sind. Die Studie läuft seit 2003 und erhebt detaillierte klinische Informationen, zusätzlich werden den Teilnehmenden Blutproben entnommen. An Hand dieser Blutproben können bestimmte Biomarker, die zu einem gewissen Teil die Ernährungsweise wiederspiegeln sowie die Methylierung der DNA gemessen werden. Die Biomarker setzen wir mit der Methylierung bestimmter Gene in Verbindung und können so den Einfluss der Umwelt, in diesem Fall der Ernährungsweise und epigenetische Veränderungen der DNA in einen Zusammenhang bringen. In einem weiteren Schritt ist es interessant zu sehen, ob diese epigentischen Mechanismen auch an der Entstehung der Alzheimer-Demenz beteiligt sein könnten. Weiterhin erarbeiten wir im Rahmen von DietBB das Wechselspiel zwischen der Genetik und der Epigenetik und dessen Beitrag an komplexen Erkrankungen wie der Alzheimer-Demenz zu ergründen“, sagt Wagner-Thelen.

„Zwillingsuntersuchungen zeigen, dass der Lebensstil einen starken Einfluss auf die Epigenetik nehmen kann. Beobachtungen an eineiigen Zwillingen zeigten, dass Zwillinge im jüngeren Alter epigenetisch noch näher beieinander sind als im späteren Lebensverlauf. Dass dieser Einfluss des Lebensstils auf die Epigenetik auch in Bezug auf die Entstehung von Alzheimer-Demenz eine Rolle spielen kann, zeigt eine weitere Beobachtung bei einem Zwillingspaar: Ein Zwilling erkrankte an Alzheimer und der andere, genetisch identische Zwilling zeigte bis zu seinem Tod, 19 Jahre nach den ersten Kranheitssymptomen seines Bruders, keine Anzeichen der Alzheimer-Demenz. Das lässt darauf schließen, dass bei der Entstehung von Krankheiten die Epigenetik eine zentrale Rolle spielen kann.“

Die Epigenetik liefert also viele Hinweise wie unser Lebensstil unsere Genexpression beeinflussen kann. Das Fazit von Wagner-Thelen lautet derzeit aber: „Es braucht noch einige Zeit, bis wir genau verstehen welchen Beitrag die Epigenetik leistet. In diesem Zusammenhang ist zum Beispiel noch nicht geklärt, ob es sich bei epigenetischen Veränderungen um den „maker“ oder einen „marker“ einer Erkrankung handelt.“

 

Text: Maike Gutmann, DGE (TA6)

 

 

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