INSIGHT DietBB: Hast Du noch Lust ein Spiel zu spielen?

Xenia Grote

Beispiel für die Spielbögen zwischen denen Levin sich entscheiden muss

11. Oktober 2017

Untersuchung von Persönlichkeitseigenschaften und Lebensmittelauswahl in der DONALD-Studie

INSIGHT DietBB In dieser neuen Kategorie stellen wir in loser Reihenfolge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit ihren Forschungsfragen vor. Dabei schauen wir hinter die Kulissen und fragen etwas genauer nach, welche Erkenntnisse die Forschung liefert, welche Herausforderungen Wissenschaft stellt und wer eigentlich die Menschen sind, die diese Forschung leisten. Los geht es mit einem Bericht zur Arbeit von Xenia Grote aus TA 5.

 Xenia Grote erforscht den Zusammenhang zwischen den Persönlichkeitseigenschaften der DONALD-Probanden und deren Lebensmittelauswahl.

„Hast Du noch Lust ein Spiel zu spielen?“ Diese Frage wird dem 8-jährigen Levin* nach dem jährlichen Besuch des Studienzentrums der DONALD (DOrtmund Nutritional and Anthropometric Longitudinally Designed) -Studie in Dortmund gestellt. „Klar!“, Levin lässt sich nicht zweimal bitten. Er folgt der Versuchsleiterin in einen extra dafür angelegten Raum. Levin ist Studienteilnehmer in der Gruppe der 7- bis 9-Jährigen, die im Rahmen der DONALD-Studie auf drei Persönlichkeitseigenschaften (Geduld, Altruismus und Risikobereitschaft) getestet wird. Diese Untersuchungen finden im Rahmen des DietBB-Projektes statt, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Zusammenhänge zwischen der Persönlichkeit und der Lebensmittelauswahl untersuchen.

Levin beginnt mit dem ersten Teil des Spiels. Er soll sich entscheiden, wie viele der sieben 20-Cent-Stücke vor ihm er direkt mit nach Hause nimmt oder in das „magische Sparschwein“ wirft, in dem sich jede Münze verdoppelt. Allerdings kommt die Ausbeute erst in einer Woche per Post – schwierig. Nach kurzem Überlegen landen sechs der Münzen im Schwein und eine nimmt er direkt mit.

„Mit diesem Test wird die Geduld der Probanden untersucht“, sagt Xenia Grote, die als Doktorandin im Projekt DietBB arbeitet. „Die Anzahl der eingeworfenen Münzen ist dabei der Indikator für die Geduld. Im Hinblick auf die Lebensmittelentscheidungen gehen wir davon aus, dass ein geduldigeres Kind auch gesündere Entscheidungen trifft. Vorangegangene wissenschaftliche Untersuchungen zeigen außerdem, dass diese Persönlichkeitseigenschaften in jungen Jahren häufig wichtige Entwicklungen im Erwachsenenalter vorhersagen, z.B., dass die geduldigeren Kinder im Jugendalter bessere schulische Leistungen zeigten als die Kinder, die nicht warten konnten.“

Die Determinante Geduld wird auch bei den jüngeren DONALD-Kindern von 4 bis 6 Jahren getestet. „Allerdings wird die Untersuchung dazu anders durchgeführt – mit einer abgewandelten Form des Marshmallow-Experiments, das in den 1960ern von Walter Mischel entwickelt wurde“, sagt Grote.
Dabei stellt die Versuchsleiterin einen Teller mit einer Süßigkeit vor das Kind. Sie sagt dem Kind, dass sie den Raum verlässt. Wenn sie wiederkommt und die Süßigkeit noch am gleichen Platz liegt, bekommt das Kind die doppelte Menge. Dabei weiß das Kind nicht, dass die Wartedauer 15 Minuten beträgt. Wenn das Kind vorher die bereitgestellte Klingel drückt, so dass die Versuchsleiterin zurückkommt, oder die Süßigkeit aufisst, bekommt es nur diese Süßigkeit. „An der Dauer, wie lange das Kind wartet bis die Versuchsleiterin wieder zurück ist, sehen wir, wie geduldig das Kind ist. Wartet es die ganzen 15 Minuten oder klingelt es vorher? Diese Daten können wir in Beziehung setzen zu den erhobenen Daten zum Lebensmittelverzehr, dem BMI oder gar der Stilldauer, die kontinuierlich in der DONALD-Studie erhoben werden“, erklärt Grote.

Für Levin geht es mit dem zweiten Teil des Spiels weiter. Zwei Spielbögen mit jeweils zwei Kreisen liegen vor ihm auf dem Tisch. Pro Spielbogen ist ein Kreis für ihn, ein Kreis für ein anderes, unbekanntes Kind in Dortmund. Auf einem Spielbogen liegt jeweils ein Stern in jedem Kreis, auf dem anderen zwei Sterne in seinem und kein Stern in dem Kreis des unbekannten Kindes. „Ein Stern steht für 20 Cent. Du kannst Dich jetzt entscheiden, welchen Spielbogen Du nehmen möchtest. Entweder diesen, in dem Du und das unbekannte Kind jeweils einen Stern bekommt oder den anderen, in dem Du zwei Sterne bekommst und das unbekannte Kind keinen“, erklärt die Versuchsleiterin. Dieser Teil des Spiels testet die soziale Präferenz bzw. wie altruistisch ein Kind ist, denn es muss sich entscheiden, ob es einem unbekannten Kind einen Stern zuordnet – trotz eigener Benachteiligung – oder stattdessen zwei Sterne für sich behält.

Im letzten Teil des Spiels geht es um Risikobereitschaft. Levin kann sich entscheiden, welche Münze geworfen wird: die mit sieben Sternen à 20 Cent auf der Vorder- und null Sternen auf der Rückseite oder die mit jeweils drei Sternen auf jeder Seite. Levin entscheidet sich für die Risikovariante 7/0 – und verliert. Aber zum Glück gibt es ja noch den zweiten Durchgang. Da hat er die Wahl zwischen der 7/0 Münze und einer risikoärmeren mit jeweils 4 Sternen auf jeder Seite. Diesmal entscheidet er sich für die zweite Münze.

„Anhand dieser Tests können wir Faktoren der Persönlichkeit wie Geduld, Altruismus und Risikobereitschaft ermitteln und anschließend untersuchen, ob diese schon in jungen Jahren im Zusammenhang mit Ernährungsentscheidungen stehen. Also, ob ein Kind, das sehr risikobereit ist, sich anders ernährt als ein Kind, das weniger risikobereit ist. Durch das longitudinale Design der DONALD-Studie wird es in einigen Jahren auch möglich sein zu testen, ob sich die Persönlichkeitsdeterminanten aus der Kindheit auch auf das spätere Ernährungsverhalten auswirken. Gerade das macht diese Untersuchung so spannend“, sagt Grote begeistert.

Für Levin war es ein erfolgreicher Tag – er geht mit 2,20 € nach Hause und freut sich schon auf die Post in der nächsten Woche.

* Person frei erfunden

Text: Maike Gutmann, DGE (TA 6)

Weitere Informationen zum Projekt in TA finden Sie hier.

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